Finanzinteressen anfangs im Hintergrund
Liechtenstein ist ein reiches Land. Weder Landtag noch Regierung wollten damals, vor 12 Jahren, Spielbanken zulassen, um sich neues zusätzliches Staatseinkommen zu verschaffen, geschweige denn, den Staatshaushalt zu sanieren. Vielmehr rechneten sie mit eher bescheidenen Einnahmen aus dem Spielbankenbetrieb von ungefähr einer Million jährlich.
Unter Aufgabe von über 100 Jahre hochgehaltenen Überzeugungen, mit einem Unterton schlechten Gewissens, sollte eine einzige Spielbank konzessioniert werden, aber nicht mehr! Und die Abgabensätze wurden – in vollkommener Fehleinschätzung der Attraktivität unseres Landes – bedeutend niedriger angesetzt als im umliegenden Ausland, ganz zu schweigen von der an sich schon sehr vorteilhaften niedrigen Ertragsbesteuerung für Gesellschaften von 12,5%.
Aus rein opportunistischen Gründen wurden 6 Jahre später diese berechtigen Hemmungen und Grundsätze fallengelassen, ein Polizeibewilligungssystem eingeführt und damit die Schleusen geöffnet für unbegrenztes Wachstum. Eine vollkommene Fehleinschätzung des Potentials, kombiniert mit der politischen Neigung, Prinzipien und Grundüberzeugungen unseres Staates über Bord zu werfen. Ohne Not!
Und nun, da der goldene Regen fällt und Finanzinteressen Einzelner immer mehr unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur durchdringen, wird es rapid schwieriger, hier Gegensteuer zu geben. Sportvereine, Musikvereine, soziale Institutionen und deren Funktionäre werden willfährig gemacht mit Sponsoring für einen ihnen fremden Zweck. Vereine, die bisher reichlich von in Liechtenstein ansässigen gemeinnützigen Stiftungen unterstützt wurden.
Auf Kosten unserer Werte und Reputation
Der goldene Regen untergräbt unser Selbstverständnis und unser Wertesystem. Wollen wir ein Geldspielerland sein und als solches neu bekannt werden? Ein Land, das zockt und Soziallasten aus verursachten Sozialfällen ins Ausland exportiert? Wollen wir uns diese Reputation zulegen?
Dabei sind wir auf diesen goldenen Regen gar nicht angewiesen für unseren bestens finanzierten Staat, und schon gar nicht für die jetzt schon überstrapazierte Wirtschaft in ihrem Wachtstumsstress.
27 Millionen Franken, immerhin und nach so kurzer Startphase, aber nur gerade einmal 2% unseres gesamten Staatseinkommens, erbrachten die Spielbanken, für die wir unsere Reputation und unsere Grundüberzeugungen verkaufen. Aller Voraussicht nach werden es mehr Millionen in den kommenden Jahren sein. Doch ist es das wert?
400 Arbeitsplätze im Land, hauptsächlich mit Grenzgängern besetzt, die ihr Gehalt nicht im Land versteuern. Das sind nur 1% aller Beschäftigten. Und dafür setzen wir unsere Reputation auf Spiel?
Dem gegenüber stehen 6,1 Millionen Franken an Covid-Unterstützungsleistungen des Staates an die Spielbanken!
Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Spielbankensektors steht in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die die Spielbankenbranche unserem Land auf verschiedenen Ebenen einbringt.
Den 27 Millionen Franken Abgaben stehen hingegen in 2020 78 Millionen Franken Bruttospielertrag gegenüber, mit der Tendenz nach oben und enormer Wertschöpfung für die Casinobetreiber, deren Hintergründe wir nicht einmal richtig kennen und die jedenfalls nicht aus unserem Land kommen.
Dafür stellen wir unsere über 100 Jahre hart erarbeiteten Standortvorteile und unsere Reputation als Industrie- und Finanzplatz zur Verfügung! Ganz abgesehen davon, dass wir immer noch seit 2008 am Aufbau des Rufs unseres Finanzsektors arbeiten und auch wieder Rückschläge erleiden. FMA und Staatsanwaltschaft haben immer noch genug damit zu tun, den Finanzsektor im Griff und den Finanzplatz sauber zu halten für unser Ansehen und unsere Akzeptanz im Ausland.
Und mit grossem privatem und staatlichem Aufwand hat sich Liechtenstein in den letzten zehn Jahren um positive Wahrnehmung als Standort für gemeinnützige Stiftungen sowie als Förderer nachhaltiger Vermögensveranlagung bemüht.
Neu geschaffene soziale Probleme
Und jetzt beladen wir uns mit dem Spielbankenproblem, schaffen neue Angriffsflächen in völlig unsinniger und unnötiger Weise, einem Problem, das wir offensichtlich jetzt schon nicht mehr im Griff haben.
Wir beladen unser Land mit einem Gesetz zur Zulassung von Spielbanken zu attraktiven Bedingungen – dem gleichen Gesetz, das als seinen „vorrangigen Zweck [beschreibt], einen sicheren, korrekten und transparenten Spielbetrieb zu gewährleisten, Geldwäscherei, organisierte Kriminalität und Terrorismusfinanzierung sowie anderer Kriminalität zu verhindern und den sozialschädlichen Auswirkungen des Geldspiels vorzubeugen.“!
Wo liegt denn der Sinn in einem Gesetz, welches das Tier, das man bewusst hereingelassen oder gar angelockt hat, gleichzeitig als Hauptzweck bekämpfen will? Ein Tier, das wir gar nicht brauchen? Für unseren Staat, unser Wohlergehen, unsere Lebenszufriedenheit kann es wohl nicht sein! Wollten wir nicht ein „lebenswertes Liechtenstein“?
Wieviel Prozent unserer Bevölkerung braucht die Unterhaltung und die „Glücksmomente“ in unseren Casinos, um sich in unserem Land wohlzufühlen? Wo liegt der von den Casinos propagierte „aktive Mehrwert“ für unsere Gesellschaft – auf Kosten unserer Reputation als seriöses Staatswesen mit solidem Finanzgebaren?
Wieviel Spannungen, Unzufriedenheit, Unwohlsein, Sich-nicht-mehr-identifizieren-können in unserem Land, unseren Gemeinden, unserer Bevölkerung wollen wir noch riskieren von Ruggell bis nach Balzers für die 28 Millionen (und auch wenn es bald 50 Millionen werden sollten), die wir kassieren, bei einem Staatsbudget von 1,2 Milliarden?
Wollen wir für ein paar nicht notwendige Millionen unser kleines verletzliches Staatsgebilde und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt einer weiteren Zerreissprobe aussetzen, nur damit ein paar ausländische Geldspielkonzerne sich eine goldene Nase verdienen und das Fürstentum als weiteren Standort, und vielleicht einmal als Finanzdrehscheibe, aufweisen können?
Wollen wir unseren stets gefährdeten Souveränitätsbonus, der uns Standortvorteile verschafft, für dieses Geschäft hergeben und erneut aufs Spiel setzen?
Wir denken nicht!!
Die langfristen Nachteile für unser Gemeinwohl und unseren Platz in der Staatengemeinschaft überwiegen bei weitem die kurzfristigen und marginalen finanziellen Gewinne für unser Land. Sie stehen in keinem irgendwie vernünftigen Verhältnis zueinander. Die monetären und nicht-monetären Kosten werden enorm sein. Das macht die Casinoentwicklung für uns nicht nur dramatisch, sondern auch tragisch.
Wir müssen sie stoppen!
IG VolksMeinung