Benno Büchel, Balzers
Viele Menschen verfolgen mit Besorgnis den Casinoboom in unserem Land. Ich habe mich gefragt, was die Ursachen einer solchen unerwarteten Entwicklung sind und bin auf Schwachpunkte gestossen, die offenbar zu wenig beachtet wurden.
Impuls kam von aussen
Die Idee, in Liechtenstein Casinos zu bewilligen, entstand nicht aus einer Notlage des Landes. Ausländische Investoren sahen das finanzielle Potenzial und ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt. Die Möglichkeit zu schaffen, bei einem allfälligen Wildwuchs eingreifen zu können, wurde weggeredet. Die Entscheidungsgremien haben Optionen, wenn schon Casinos, diese inländisch wirtschaftlich berechtigt oder gar staatsnah zu führen und die Abgaben marktsteuernd auszurichten, aus den Händen gegeben. Es wurde weder das Volk gefragt noch haben sich das Parlament oder die Regierung die Erteilung von Konzessionen vorbehalten.
Casinos als reines Shareholder-Value-Vehikel
Die Entwicklung in unserem Land, wo fast jedes Casinounternehmen von halb Europa noch möglichst schnell und rücksichtslos auf den neuen Zug aufspringen will, zeigt, dass es nicht um Kultur oder soziale Begegnungen geht, sondern um reines Profitdenken – Casinos sind keine Wohltätigkeits-Institute.
Gewinne kommerzialisieren – Verluste sozialisieren
Dass immer nur die einen gewinnen und die anderen verlieren, geht im normalen Geschäftsleben nicht auf, aber bei Menschen, die einer Sucht unterliegen, wird offenbar ein diesbezügliches Potenzial geortet. Der Shareholdervalue-Ansatz sieht nur die Gewinne und diese werden kommerzialisiert. Wo Gewinner sind, gibt es zwangsläufig auch Verlierer, es sind dies die übrigen Involvierten, die Stakeholder. Einerseits sind das die Spieler, die ihr Erspartes einbüssen oder gar Schulden machen; die Menschen, die durch Mehrverkehr und Lärm unverschuldet, fast rund um die Uhr, mit einem massiven Verlust an Lebensqualität konfrontiert sind und schlussendlich der Staat mit seinem Sozialsystem als Auffangnetz, denn die Verluste werden langfristig sozialisiert — so einfach ist die Rechnung.
Dass der Markt das Angebot regelt, ist Wunschdenken
Die Bedingungen für Casinos in unserem Land sind viel zu lukrativ, als dass der Markt sie nach unserem Wunschdenken regeln würde: Das anerkannte «Say’sche Theorem» besagt, dass jedes Angebot seine Nachfrage erzeugt. Und das Angebot ist verlockend: Das Einzugsgebiet ist im Umkreis von 50 – 100 km eines der reichsten in ganz Europa; die Steuern und Abgaben sind niedrig; die Öffnungszeiten extensiv; das Kapital für neue, attraktive technische Ausstattung ist vorhanden. Wir sind unvorstellbar attraktiv.
Reputations-Risiko
Im Banken- und Treuhandbereich haben wir in den letzten Jahren die Transformation vom Standort-Vorteil zum Standort-Wettbewerb bitter durchlebt und lernen müssen, dass andere Staaten Regelungsgefälle auf die Dauer nicht akzeptieren. Rufe nach «Treu und Glaube» oder «Rechtssicherheit» etc. verstummten rasch ob der ausländischen Drohungen; wir mussten uns anpassen. Und nun begeben wir uns freiwillig wieder zurück ins alte Fahrwasser: «Bessere Bedingungen als die Nachbarn und das Geschäft floriert». Internationale Firmen und ihre inländischen Strohmänner streichen den Grossteil der bisher satten Gewinne ein und das Reputationsrisiko trägt Liechtenstein, unser Land – und damit wir alle.
Fazit
Lieber zu spät als nie: Liechtenstein braucht eine breite Diskussion über die weitere Casinoentwicklung, das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig.